Am Morgen gehts etwas knapp los an denselben Ort. Wir sind zwar nicht die Ersten, aber es gibt nicht so viele vor uns. Die Warteschlange ist prima. Es gibt Sofas und Bänke die im Raum verteilt sind. Man hat keinen Schimmer wo man «anstehen» oder eben «ansitzen» muss. Sobald aber jemand sein Ticket bekommen hat, steht irgendwo einer auf und alle anderen rutschen nach. Sieht witzig aus, wenn ein ganzer Raum «Reise nach Jerusalem» spielt 🙂
Nach einer Stunde haben wir unser Ticket, am Abend um 20:40 gehts nach Varanasi. Allerdings nicht wie gehofft in der zweiten Klasse, sondern in der Dritten. Das hatten wir ja schon von Delhi nach Agra, aber nun 12 Stunden im indischen Schlafwagen? Naja, wir wollen nach Varanasi und sind bereit diese Erfahrung zu machen.

Wir haben also noch den ganzen Tag Zeit und wollen uns noch das Fort ansehen und etwas im Quartier schlendern.
Erst geht es aber in eines der Roof Top Restaurants (Restaurant im obersten Stock), um uns zu stärken. Unglaublich, dass wir die Anzahl der Restaurant vor zwei Wochen nicht gesehen haben. Hier wimmelt es nur so von solchen. Vor zwei Wochen dachte ich noch, dass es schwer ist irgendwo ein gutes Restaurant zu finden. Tja, nachher ist man immer schlauer.
Hier beschliessen wir ein paar Taktiken, wie wir mit den ganzen Schleppern verfahren könnte. Taktik 1: «dem Schlepper versuchen etwas anzudrehen», Taktik 2: «Anzahl Fragen zählen, bis er zum Wesentlichen kommt» (Der Shop den man ansehen soll).

Wir stärken uns und schiessen ein paar Fotos, da wir das ganze Schauspiel der Stasse von hier aus super beobachten können. Zufälligerweise schaue ich in dem Moment in eine Richtung als unser Ex-Fahrer aus seinem Auto aussteigt. Ich nehm in kurz auf den Arm und rufe ihn an und erteile ihm Anweisung, dass er nicht weitergehen, sondern um sich blicken soll. Es funktioniert, er versteht gar nichts mehr 😉
Wir geben uns dann aber zu erkennen und er schaut kurz vorbei. Er freut sich sichtlich uns wieder zu sehen. Mein Glaube an das Gute ist wieder gestärkt. Gulab geht danach zu seinen beiden neuen Passagieren und wird gleich darauf Delhi wieder verlassen.

Ich will noch etwas Geld auf meine indische Nummer laden, bevor wir weiterreisen. Wir schauen kurz im Shop vorbei, wo das natürlich nicht funktioniert. Mir fallen die Worte des Typen im Vodafone Shop ein: «You can recharge your balance everywhere». Incredible India!
Naja immerhin der Händler zeigt eine Richtung an, wo es einen Vodafone Store gibt. Wenn, dann können die helfen.
So einfach ist der Shop dann doch nicht zu finden und da es hier von Schleppern nur so wimmelt, taucht auch gleich einer auf. Mich faszinieren seine Schuhe. Die sehen aus wie eine Kreuzung aus Cowboy-Stiefeln, Clownschuhen und Latexhosen. Einfach nur übel die Dinger. Aber faszinierend!
Ich entschliesse mich augenblicklich zur Taktik 2 und zähle die Fragen bis er zum Punkt kommt. Bei 20 hab ich aufgehört zu zählen. Er versucht uns gleich dahin zu führen. Also versuche ich das Beste daraus zu machen und frag ihn nach dem Vodafone Store. Er führt uns eine ziemliche Stecke in einen Mobile Shop, wo man uns natürlich nicht helfen kann, denn die verkaufen Handys. Aber daneben ist ein Vodafone Händler und oh Wunder, er kann was der davor nicht geschafft hat. Mit geladenem Handy komme ich aus dem Shop. E voila!
Dann das nächste Wunder: unser Schlepper kommt endlich auf den Punkt. Er möchte uns ein Geschäft zeigen, wo er etwas Cash bekommt, wenn wir reingehen. Ich will nicht unfair sein, da mein Problem sich gelöst hat, tun wir ihm den Gefallen.
Was für ein Shop, ziemlich viel Zeugs und auch sehr schön. Aber wir fragen nicht mal nach den Preisen und verlassen den Shop mit leeren Händen.

Wir haben noch etwas Zeit und entschliessen uns noch für eine Fort Besichtigung. Das erste Tuk Tuk, welches anhält wird von einem sympathischen Inder gefahren. 60 Jahre alt, geht erst in Pension, wenn er stirbt, hat drei Kinder, wobei seine älteste Tochter vor 5 Monaten geheiratet hat. Mit 31 etwas spät für indische Verhältnisse, aber jetzt hofft er auf Enkelkinder.
Er meint wenn wir das Fort in Agra gesehen hätten, dann wäre das Fort in Delhi reiner Zeitverlust. Er bietet uns aber eine Stunde Tour an, wo er uns noch ein paar extra Sehenswürdigkeiten zeigen will. Wir wollen es wissen, aber zur Sicherheit erwähnt Franziska «Keine Shops»! er sagt cool, wenn wir Shops sehen wollen, dann kostet es extra.
Klingt prima, wir steigen ein. Dennoch aus den bisherigen Erfahrungen bleiben wir vorsichtig, denn wir haben doch schon einiges erlebt.
Erst gehts zum Gandhi Memorial, dann zu einem Sikh Tempel, Buddhist Tempel und weiter zum Hindu Tempel. Wir bereits etwas tempel-faul bleiben sitzen und schiessen Fotos aus dem Tuk Tuk.
Dann nach 40 Minuten kommt das Unverhoffte. Er möchte kurz was essen und wir sollen uns doch kurz in den Shops auf der Strasse gegenüber austoben. Da wir uns keinen ansehen und ihn so um seinen 4 Uhr Snack bringen, erfahren wir nicht, ob es zusätzlich gekostet hätte wenn wir die Shops betreten hätten. (Wie er ja anfangs erwähnt hatte.)

Es ist echt schwer das Gleichgewicht zu finden wie weit man den Menschen trauen kann. Einerseits etwas von der Kultur mitbekommen, andererseits aber doch nicht abgezockt oder belogen zu werden. Aber wir haben ja noch etwas Zeit.

Abends dann besteigen wir den Zug ohne dass jemand versucht uns das Ticket abzunehmen oder eine extra Gebühr. Es scheint als wacht etwas über uns und will uns nicht noch mehr zumuten.
Beim Einsteigen stellen wir erfreut fest, dass wir mit 4 Spaniern ein 6er Abteil teilen. Das macht das Reisen in der dritten Klasse etwas sicherer.

Und wieder fährt ein indischer Zug auf die Minute genau los. Im Zug komme ich mir etwas vor wie im Zoo. Aber in diesem Zoo sind wir ausgestellt. Es scheint ungewohnt, dass Westler in der dritten Klasse reisen.